Sie sind hier: Startseite News MVDA schickt Positionspapier nach Berlin

MVDA schickt Positionspapier nach Berlin

Die Coronapandemie hat die hohe Relevanz der stationären Vor-Ort-Apotheken im deutschen Gesundheitssystem verdeutlicht: Schnell, flexibel und flächendeckend wurden die Vorgaben der Politik an eine umfassende Versorgung der Bevölkerung mit höchster Qualität erfüllt. Um die Leistungsfähigkeit der Apotheken zukünftig sicherzustellen, sind strukturelle und finanzielle Veränderungen erforderlich. Der gesundheitspolitische Expertenkreis des Marketing Verein Deutscher Apotheker, MVDA e. V. formuliert in dem aktuellen Positionspapier 2022 fünf zentrale Positionen zur Zukunftsgestaltung der pharmazeutischen Versorgung.
MVDA schickt Positionspapier nach Berlin

Gabriela Hame-Fischer. Foto: MVDA e.V.

28.02.2022

Dabei stehen die Themen Flächendeckung, Fremd-/Mehrbesitz, demografischer Wandel und Pharmaceutical Homecare, AMTS, Fachkräftemangel und die Neuausrichtung der pharmazeutischen Berufsbilder im Fokus. Ziel ist es, mit den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses in den aktiven Dialog zu treten. Neben der Zusendung des Positionspapiers sind die Politiker*innen eingeladen, sich lokal und vor Ort mit den MVDA Vertreter*innen auszutauschen. Der MVDA sieht sich satzungsgemäß gegenüber seinen Mitgliedern verpflichtet, zu den relevanten politischen Themen Position zu beziehen und ist bereit, gemeinsam mit seiner Dachmarke LINDA eine führende Rolle bei der Zukunftsgestaltung der Arzneimittelversorgung in Deutschland einzunehmen.

Die aktuellen Entwicklungen prägen die Zukunft der apothekerlichen Versorgung: Steigender finanzieller Druck auf die Sozialsysteme, der zu einem Reformzwang führt; die Überwindung von Versorgungsdefizite in der Fläche ist bereits heute eine der größten Herausforderungen für den gesamten Gesundheitsmarkt; der demografische Wandel sorgt neben wachsender Morbidität einer überalternden Gesellschaft auch für Personalengpässe und Fachkräftemangel in den Apotheken. Und nicht zuletzt verändert die Digitalisierung mit der geplanten Einführung von ePA und eRezept sowie der Ausweitung telemedizinischer Angebote, Plattformen, Gesundheits-Apps u. v. m. die Anforderungen an die pharmazeutischen Berufsbilder.

 

„Damit der Apothekenmarkt in der Lage ist, sich mit der notwendigen Geschwindigkeit weiterzuentwickeln, muss für eine nachhaltige Implementierung eines Qualitätswettbewerbs gesorgt werden. Dabei sind die Kriterien der Versorgungsqualität und -effizienz maßgebend. Qualität darf nicht zulasten eines Preiswettbewerbs geopfert werden“, erklärt Gabriela Hame-Fischer, Präsidentin des MVDA e. V. Ergänzend führt Daniela Kolb, Vorsitzende des MVDA Arbeitskreises Gesundheitspolitik aus, dass „dabei strikt auf die Einordnung des Arzneimittels als besonderes Gut zu achten ist. Eine vollständige Liberalisierung des Marktes sowie der zugehörigen Strukturen gefährdet eine flächendeckende, sichere und patientenzentrierte Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, statt sie zu stärken.“

Fünf zentrale Positionen:

    Sicherstellung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung

Entscheidende Ansicht des MVDA ist, dass die Weiterentwicklung des bewährten Arzneimittelversorgungssystems nach deutschem Recht und Standard auch in Zukunft den Maßstab zur Verbesserung und Digitalisierung des Gesundheitssystems darzustellen hat. Die zunehmende Anforderung des Medikamentenversands an Patient*innen muss laut MVDA über den Botendienst der Vor-Ort-Apotheken erfolgen. Vor einer Bevorzugung des deregulierten RX-Versandhandels wird ausdrücklich gewarnt, da die Vereinsvertreter*innen hierin das Risiko einer Trockenlegung der mischkalkulierten Finanzierungsgrundlage jeder Apotheke sehen, was unweigerlich innerhalb kürzester Zeit zum Verschwinden versorgungsrelevanter Landapotheken führen würde.

 

    Beibehaltung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes

Im Falle der Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz ist mittelfristig mit monopol- oder oligopolartigen Strukturen zu rechnen, die laut MVDA weder zu Preis- noch Qualitätswettbewerb, sondern nach dem Prinzip „Angebot und Nachfrage“ zu einer reinen Gewinnmaximierung führen dürften. Somit würden zahlreiche, nicht kostendeckende Leistungen durch Selektion verschwinden. Negativbeispiele sind bereits im europäischen Ausland erkennbar. Mit der Verdrängung des niederschwelligen Zugangs, den Vor-Ort-Apotheken mit aktuell vier Millionen täglichen Kundenkontakten bieten, müssten diese Leistungen ersatzweise durch die kommunale Gesundheitsversorgung teurer, etwaig schlechter und unter Aufwendung zusätzlicher staatlicher Finanzmittel bereitgestellt werden.


    Patient*innenversorgung im demografischen Wandel

Das gesamte Gesundheitssystem muss sich an die Anforderungen der demografischen Veränderungen anpassen und neue Wege der Patient*innenversorgung bieten. Konzepte im Sinne einer pharmazeutischen Home Care (pHC), bei der der Bedarf an Arznei- und Hilfsmitteln rund um die Uhr und die persönliche Begleitung immobiler Menschen abgedeckt wird, sieht der MVDA als relevanten Entwicklungsschritt an. Dabei ist die Verzahnung von digitaler und persönlicher Betreuung erforderlich, um den niederschwelligen Zugang zu Versorgungsangeboten sicherzustellen. Dies funktioniert nur in Kooperation mit anderen Heilberufen, bei der die stationäre Apotheke eine Lotsenfunktion einnehmen soll.

 

    Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit

Immer mehr Menschen werden polypharmazeutisch betreut. Eine Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit ist laut MVDA alternativlos. Insbesondere durch die Digitalisierung wächst die Bedeutung der Rolle der Apotheken. So ist nach Ansicht des MVDA ein gleichberechtigter Zugriff auf Medikationsplan und elektronische Patientenakte unbedingt erforderlich. Ebenso sollte ein vierwöchentliches Medikations-Monitoring in der Apotheke zur Erhöhung von Adhärenz und Therapietreue insbesondere bei Chroniker*innen eingeführt werden, das als Voraussetzung für die Ausstellung von Quartalsverordnungen gelten könnte. Im Bereich der Telemedizin soll die Apotheke die Schnittstelle zwischen Ärzt*innen und Patient*innen bilden, bei medizinischer Unterversorgung sogar in Kombination mit labordiagnostischer Unterstützung.

 

    Fachkräftemangel und Wandel des Berufsbildes

Dreh- und Angelpunkt einer hochwertigen pharmazeutischen Vor-Ort Versorgung stellt die Verfügbarkeit von ausreichend pharmazeutischem Personal dar. Ohne eine entsprechende Personaldecke werden die Anforderungen neuer pharmazeutischer Dienstleistungen und der entstandene Mehraufwand in vielen Arbeitsfeldern laut MVDA nicht zu stemmen sein. Aktuell sieht sich der Apothekenmarkt jedoch mit einem massiven Nachwuchsproblem konfrontiert. Vor-Ort-Apotheken bieten auch in strukturschwachen Gebieten wohnortnahe, familienkompatible, qualifizierte und fair bezahlte Arbeitsverhältnisse, die aufgrund ihrer flexiblen Arbeitszeiten überwiegend Frauen zugutekommen. Doch die berufsrechtlich erforderlichen Anpassungen für eine dauerhafte Sicherstellung der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal am Ort der Versorgung liegt laut MVDA seit Jahrzehnten brach. Fachliche und finanzielle Entwicklungspotentiale können den pharmazeutischen Fachkräften nicht angeboten werden. Das Einkommen von Apothekenmitarbeitenden liegt mittlerweile bis zu 40 % unter dem vergleichbarer Berufsgruppen. Das führt zu einer zunehmenden Abwanderung aus dem eigentlichen Betätigungsfeld, dem schnell entgegengewirkt werden muss, z. B. durch einen deutlichen Honorarsprung und einer jährlichen Honorardynamisierung sowie der Weitergabe eines Teils der Honorarerhöhung an die Mitarbeitenden.

     

     

    Zukunft erfordert Innovation & Ausweitung des Studien- und Ausbildungsplatzangebotes

Um dem zunehmenden Fachkräftemangel wirkungsvoll gegenzusteuern, muss laut MVDA jetzt ein Ausbau des Studienplatzangebots für Pharmazeut*innen sowie des Ausbildungsplatzangebots für PTAs stattfinden. Diese haben flächendeckend kostenfrei zu sein.

Anhänge