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DMP-Realität nach 10 Jahren
Die Einführung von DMP hatte vor allem die Vermeidung von Unter-, Über- und Fehlversorgung der wichtigen und wachsenden Patientengruppe chronisch Kranker zum Ziel. Derzeit über 11.000 laufende Programme und fast 6 Millionen teilnehmende Versicherte zeigen den Erfolg der DMP. Denn diese Patienten werden durch ein gezieltes Versorgungsmanagement, das auf aktuellen medizinischen Erkenntnissen basiert, sektorenübergreifend betreut. Das BVA nimmt hier zwei Schlüsselpositionen ein. Zum einen sind wir verantwortlich für das Zulassungsverfahren der DMP. Zum anderen führen wir die gesammelten medizinischen und ökonomischen Daten über Krankenkassen- und regionale Grenzen hinweg zusammen und werten sie im Rahmen der gesetzlich verankerten, vergleichenden Evaluation aus. Zehn Jahre nach Beginn der Debatte um DMP in Deutschland ist es Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen. Im Rahmen des Kongresses werden die Ziele und Erfolge der DMP in Deutschland von den Anfängen bis zur aktuellen Entwicklung dargelegt.
Nutzen und Effizienz von DMP
Disease-Management-Programme (DMP) sollen bei bestimmten chronischen Krankheiten die Notwendigkeiten der verbesserten Kommunikation und Kooperation der Behandler sicherstellen und die integrierte Versorgung unterschiedlicher Behandlungsebenen verbessern. Damit folgen DMPs den Kriterien von Managed Care, um durch eine intensive Patientenorientierung die Verschlechterung von Krankheitssymptomen zu vermeiden und so mithilfe der Berücksichtigung von Leitlinien und Clinical Pathways die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern zu helfen. Auf diesem Wege könnten über die Einbeziehung von Schulungsmaßnahmen für die jeweiligen Patienten auch die Effektivität und Effizienz der Behandlung optimiert werden. Allerdings kommen oftmals Stratifizierungsüberlegungen hinsichtlich der Ausgangssituation der Krankheitsschwere oder der sozialen Schicht der Patienten zu kurz. Nicht für alle, die ein DMP benötigen, wurde die Maßnahme genutzt (Risikoselektion), andererseits wurden die Programme oft wegen der ökonomischen Anreize auch bei solchen eingesetzt, die kaum Vorteile haben dürften. In solchen Fällen bleiben Wert und Erfolg von DMP-Maßnahmen zumindest fragwürdig.
Schnittstellenproblematiken strukturierter Versorgungskonzepte
Versorgungsformen außerhalb der Regelversorgung müssen sich häufig an den Schnittstellen zwischen den Sektoren, Fächern und Disziplinen bewähren. DMP und Integrierte Versorgung sind die wichtigsten strukturierte Versorgungskonzepte beinhaltenden Versorgungsformen. Sie sind mit dem Ziel eingeführt worden, einen übergreifenden Versorgungsprozess auf evidenzbasierten Behandlungspfaden zu ermöglichen. Aber auch die Hausarztzentrierte Versorgung, die besondere ambulante ärztliche Versorgung oder die durch den vorliegenden Entwurf des GKV-VSG initiierte ambulante spezialärztliche Versorgung eignen sich als verknüpfbare Bestandteile strukturierter Versorgungskonzepte. Das Referat widmet sich den Schnittstellenproblemen solcher Projekte, insbesondere der Koordinierung der medizinischen Zusammenarbeit, technisch-technologischen Erfordernissen und noch bestehenden rechtlichen Hemmnissen bei der Durchsetzung des Prinzips der Integrierten Versorgung in strukturierten Versorgungskonzepten.
DMP: Methodik für faire Vergleiche
Die Evaluation der Disease-Management-Programme (DMPs) ist im Kern ein Vergleich der Programme untereinander, kein Vergleich mit einer Benchmark oder einer Kontrollgruppe von Nicht-DMP-Patienten. In Anbetracht der Tatsache, dass die in die einzelnen DMPs eingeschlossenen Patienten unterschiedliche Strukturmerkmale wie Alter, Geschlecht, soziale Schicht, Krankheitsschwere und Komorbiditäten aufweisen, stellt sich die Frage, welche methodischen Anforderungen erfüllt sein müssen, um von „fairen“ Vergleichen sprechen zu können. Im Wesentlichen müssen zwei Probleme beherrscht werden: die Schaffung eines mathematischen Ausgleichs für Strukturunterschiede und die korrekte Berücksichtigung möglicher Zufallseffekte. Im aktuellen DMP-Vergleich werden beide Ziele simultan durch den Einsatz adjustierter empirischer Bayes-Schätzer erreicht, die im Rahmen der Anpassung eines gemischten linearen Modells abgeleitet und anschließend visualisiert werden. Im Vortrag wird die Funktionsweise dieser Methodik am Beispiel vorgeführt.
DMP: Wirkungen und Nebenwirkungen – Folgenabschätzung
Von 1998 bis 2009 ist der Verbrauch von Insulinen in der gesetzlichen Krankenversicherung auf das 2,3-fache angestiegen und damit pro Jahr um durchschnittlich 7,4 % (orale Antidiabetika: 4,7 %). Während 1998 auf eine Tagesdosis oraler Antidiabetika noch 0,5 Tagesdosen Insulin entfielen, waren es 2006 mehr als 0,75 Tagesdosen. Die Jahre 2001 bis 2003 trugen besonders dazu bei, das Niveau des Insulinverbrauchs auf das heutige Niveau anzuheben. Gegenwärtig scheint eine Sättigung erreicht zu sein. Dieser Verbrauchszunahme geht im Wesentlichen auf die Zunahme der Zahl der Typ-2-Diabetiker zurück, die neu auf Insuline eingestellt wurden. Ihre Zahl nahm um knapp eine Million Menschen zu. Diese im Nachhinein erkennbare „Insulinisierung“ der Typ- 2-Diabetiker ist die Folge der Bemühungen um eine Reduzierung der vom Typ- 2-Diabetes ausgehenden Folgewirkungen. Vor dem Hintergrund der heutigen Erfahrungen wäre aber die Frage zu stellen, wie hoch der zusätzliche Nutzen einer breit angelegten insulinbasierten Blutzuckerkontrolle ist angesichts der Risiken, die sich aus Hyopglykämien, Gewichtszunahme und der Induktion von Krebserkrankungen ergeben.