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Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2022: Expert*innen sprechen sich für bessere Zusammenführung von klinischer Forschung und Versorgungsforschung aus

Anlässlich eines Pressegesprächs zum Beginn des Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung (DKVF 2022) bemängelten Expert*innen, dass klinische Forschung und Versorgungsforschung derzeit oft zu wenig aufeinander bezogen sind. Vor allem im Zusammenhang mit medizinischen Innovationen, bei denen das verfügbare Wissen meist nur aus Zulassungsstudien zur Verfügung stehen, sei es wichtig, zu verstehen, ob sie für die Patient*innen im Versorgungsalltag wirksam und sicher sind. „Die Versorgungsforschung ermöglicht die Überprüfung einer Innovation unter Real-World-Bedingungen, z.B. anhand von Registerstudien. Idealerweise fließen diese Erkenntnisse in die klinische Forschung zurück, um den Therapieansatz zu optimieren“, kommentierte Prof. Dr. Peter Falkai, Kongresspräsident des DKVF 2022 und ergänzte: „Diese sogenannte reverse Translation findet derzeit leider selten statt.“

04.10.2022

Die Notwendigkeit zur Überprüfung der Evidenz aus klinischen Studien betonte auch Prof. Dr. Christoph Correll, klinischer Forscher im Bereich der Psychopharmakologie und Keynote-Speaker auf dem DKVF. Zwar verlassen sich Wissenschaftler*innen bei der Validierung der Wirksamkeit einer Behandlung nicht auf einzelne Studien, sondern führen Metaanalysen und Netzwerk-Metaanalysen durch, in denen mehrere randomisiert-kontrollierte Studien, sogenannte RCTs, zusammengefasst werden. Allerdings sind z.B. Studien mit positiven Outcomes besser publizierbar und daher leichter für Metaanalysen zugänglich als Studien mit einem negativen Effekt. Dadurch kann ein verzerrtes Gesamtbild entstehen. „Darüber hinaus werden viele der Patient*innen, die im Versorgungsalltag häufig vorkommen – z.B. Menschen, die mehrere Medikamente einnehmen müssen, solche mit Komorbiditäten, Suizidalität oder Ältere – aus methodischen Gründen nicht in RCTs eingeschlossen. Außerdem fehlen häufig Informationen über Dosiseffekte und Patientengruppen, in denen die fragliche Behandlung mehr oder weniger Wirksamkeit oder Nebenwirkungen aufweist. Ferner ist die Studiendauer zumeist recht kurz“, so Correll. „Wir müssen die Möglichkeiten der Versorgungsforschung nutzen und sie den Ergebnissen von randomisiert generierten Daten komplementär zur Seite stellen, um die Generalisierbarkeit randomisierter Studiendaten zu prüfen.“

Das Instrumentarium der Versorgungsforschung zur Bewältigung dieser Aufgabe ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF). „In einer Ad-hoc-Kommission haben wir mittlerweile ein mehrteiliges Manual für die Nutzung versorgungsnaher Daten erarbeitet. Dabei zeigt sich: Eine qualitativ hochwertige Datenbasis setzt standardisierte Datensätze sowie gezielte Datenschutzkonzepte und die Verknüpfbarkeit von Datenquellen voraus“, sagte Prof. Dr. Monika Klinkhammer-Schalke, Vorstandsvorsitzende des DNVF. Damit Versorgungsdaten zur Verbesserung der Patientenversorgung genutzt werden können, sollten alle relevanten Stakeholder im Gesundheitswesen eng miteinander zusammenarbeiten, so die Expertin.

Dabei müssen auch die Betroffenen selbst einbezogen werden. „Mittlerweile ist der Input der Patient*innen in den verschiedenen Phasen eines Forschungsprojekts immer häufiger gefragt“, berichtete PD Dr. Anna Levke Brütt, Sprecherin der Arbeitsgruppe Partizipative Versorgungsforschung des DNVF. Allerdings seien einige Fragen noch unklar: Wer sollte beteiligt werden? Mit welchen Methoden? Und was ist die Wirkung? Beim World Café im Rahmen des DKVF-Patient*innentags diskutieren Versorgungsforschende mit Betroffenen, Angehörigen, und Mitgliedern der Selbsthilfe, wie partizipatorische Forschung stärker in der Versorgungsforschung verankert werden kann.

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