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Litsch: "Die elektronische Gesundheitskarte ist gescheitert"

Aus Sicht des AOK-Bundesverbandes gibt es für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) keine Zukunft mehr. Der Vorstandsvorsitzendes Martin Litsch spricht im Interview mit der "Rheinischen Post" von einer Technologie der 90er Jahre, die viel koste und wenig nutze. „Das ganze Vorhaben ist längst überholt“, bilanziert Litsch in der Ausgabe vom 29. März 2018.
Litsch: "Die elektronische Gesundheitskarte ist gescheitert"

Martin Litsch/Quelle: AOK Bundesverband

29.03.2018

Zwei Milliarden Euro sind in den vergangenen 20 Jahren in die Entwicklung der eGK geflossen. Allein die Krankenkassen und somit die Beitragszahler haben dafür aufkommen müssen. "Ich hoffe, dass der neue Gesundheitsminister die Zeichen der Zeit erkennt und die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf neue Füße stellt", formuliert der Verbandschef seine Erwartungen an Jens Spahn.

Zur Steuerung und Koordinierung des Entwicklungsprozesses hatte der Gesetzgeber vor vielen Jahren eigens die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) aus der Taufe gehoben. Litsch hält das Konstrukt für überholt: "Die Gematik muss in eine Regulierungsagentur umgewandelt werden. Sie sollte nur noch die Rahmenbedingungen für Sicherheit, Transparenz und Anschlussfähigkeit schaffen und darauf hinwirken, dass internationale inhaltliche Standards beispielsweise für Patientenakte und Medikationsplan genutzt werden."

Auch die vorgesehene Verwaltung der Daten wird aus Sicht der AOK modernen Anforderungen nicht gerecht. Es sei unrealistisch, dass die Patienten ihre Daten nur in Arztpraxen einsehen könnten, sagt Litsch und fordert volle Souveränität der Patienten: "Sie müssen jederzeit Zugriff haben, auch mobil über ihre Smartphones."

Die AOK entwickelt zur Zeit ein digitales Gesundheitsnetzwerk, das jetzt in Mecklenburg-Vorpommern pilotiert wurde. "Ähnlich wie beim Online-Banking sind die Gesundheitsdaten von Versicherten geschützt. Die Datenhoheit liegt ausschließlich beim Patienten. Die Daten bleiben dort, wo sie heute auch liegen, bei Ärzten und Krankenhäusern in sicheren Systemen", entkräftet Litsch Sicherheitsbedenken. Der Versicherte bekomme zudem die Möglichkeit, die Informationen einzusehen und für andere Ärzte freizugeben.

In dem Interview äußert sich Litsch auch zu den Regierungsplänen in der Pflege. Die Große Koalition will unter anderem ein Sofortprogramm zur Schaffung 8.000 neuer Stellen auflegen. Litsch erneuert insbesondere seine Forderung vom Deutschen Pflegetag nach mehr Transparenz. Allein 2017 habe die soziale Pflegeversicherung 35 Milliarden Euro ausgegeben, über 20 Prozent mehr als im Jahr davor. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) habe im gleichen Zeitraum rund 18 Milliarden Pflege im Krankenhaus investiert. Allerdings sei schwer nachzuvollziehen, ob diese Milliarden auch für Pflegekräfte genutzt würden. "Nach wie vor vernachlässigen die Länder ihre Pflicht zur Investition in Kliniken so stark, so dass von dem für die Pflege vorgesehenen Geld vermutlich auch Aufzüge oder Dächer repariert oder neues medizinisches Gerät angeschafft wird."

Zur Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe plädiert Litsch für eine stärkere Akademisierung und interprofessionelle Zusammenarbeit "Ein alter Mensch mit vielen Krankheiten braucht von der Pflegekraft ein Bündel an fachlichen Fähigkeiten und menschliche Zuwendung. In Zukunft müssen Pflegekräfte auch im ambulanten Bereich Blut entnehmen oder Infusionen geben dürfen. Auf einer digitalisierten Station hätten dann Pflegekräfte und Ärzte gleichermaßen Einblick in die Patientenakte."

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