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GKV-Arzneimittelausgaben im Dreivierteljahr 2016: Moderater Anstieg trotz Innovationsschub

Die bundesweiten GKV-Arzneimittelausgaben haben sich in den ersten neun Monaten des Jahres um rund 4 % erhöht. Das liegt vor allem am therapeutischen Fortschritt wie aktuelle Analysen von QuintilesIMS zeigen.

22.11.2016

Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneien und Diagnostika, ohne Impfstoffe, sind in den ersten neun Monaten des Jahres um 4,2 % gestiegen sind. Das liegt wesentlich am Einsatz innovativer Medikamente, die vielfach Biologika sind. Mehrheitlich liegt die Verordnung dieser Spezialtherapeutika in den Händen von Fachärzten und wird besonders deutlich in der Krebstherapie. Dort erhöhten sich bei manchen umsatzstarken Arzneigruppen die Ausgaben im niedrigen zweistelligen Bereich. Allerdings stehen dem auch Rückgänge in anderen Bereichen gegenüber, etwa bei antiviralen Mitteln ohne HIV-Arzneien, im Schwerpunkt Therapeutika gegen Hepatitis C (-37 %). Eine Therapieneuerung im allgemeinärztlichen Versorgungsbereich sind moderne Blutgerinnungshemmer, sog. direkte Faktor Xa-Hemmer, die gegenüber herkömmlichen Medikationen den Vorteil der oralen Anwendung besitzen und außerdem kein kontinuierliches Monitoring von Gerinnungsparametern verlangen.

"Die aktuelle Marktentwicklung ist vor allem durch strukturelle Veränderungen, nämlich Wechsel im Verordnungsverhalten der Ärzte, bestimmt. Dazu gehören z.B. Verordnungswechsel zu anderen Dosierungen und Packungsgrößen sowie zu innovativen Medikamenten. Diese sog. Strukturkomponente erklärt großen Teils den Umsatzzuwachs. Die Verordnungsmenge schlägt mit einem knapp zweiprozentigen Plus zu Buche, während die Arzneimittelpreise im Marktdurchschnitt sogar um fast 2 % rückläufig waren", erläutert Dagmar Wald-Eßer, Senior Manager Health Policy bei QuintilesIMS.

"Wenn man die aktuelle Marktentwicklung mit der Arzneimittelrahmenvereinbarung für 2017 vergleicht, dann geben Innovationen jeweils den stärksten Ausschlag. Die Strukturkomponente als Indikator für innovatives Verordnungsverhalten liegt für die ersten neun Monate bei +3,8 %, der Anpassungsfaktor für Innovationen wurde für das nächste Jahr mit +3,2 % veranschlagt. Gesundheitspolitischer Wunsch und Wirklichkeit weichen somit gar nicht so weit voneinander ab" resümiert Dr. Frank Wartenberg, President Central Europe bei QuintilesIMS.

Dass sich auch mit oder sogar trotz Innovationen Einsparungen erzielen lassen, zeigt das Volumen der per Gesetz vorgeschriebenen abzuführenden Nachlässe, welche die pharmazeutischen Hersteller den Krankenkassen auf ihre Präparate zu gewähren haben. Sie belaufen sich in den ersten neun Monaten des Jahres bereits auf über 2 Milliarden Euro. Noch nicht berücksichtigt sind dabei Rabattverträge, die in diesem Jahr geschätzt über 3,5 Mrd. Euro an Einsparungen erbringen dürften.

Interessant ist, wo die Einsparungen im Detail herrühren: Der größte Teil kommt nach wie vor aus den gesetzlich vorgeschriebenen, je nach Arzneisegment festgelegten prozentualen Abschlägen, die im bisherigen Dreivierteljahr 920 Mio. Euro betragen. Allerdings stagniert dieses Volumen. Zweistellig erhöht haben sich hingegen die Einsparungen aus Erstattungsbeträgen, also verhandelten Rabatten für neu eingeführte Medikamente. Hier sind aktuell um 59 % höhere Einsparungen gegenüber Vorjahr zu verzeichnen, was derzeit 832 Mio. Euro bedeutet. Eher wenig bewegt sich hingegen bei den Abschlägen im Rahmen des Preismoratoriums, die sich auf 230 Mio. Euro belaufen.

Krebserkrankungen nehmen weltweit Platz 3 der häufigsten Todesursachen ein. Infolge verbesserter Diagnostik und mehr spezifischen Therapeutika für noch ungedeckte Bedarfe, d.h. bis dato nicht speziell therapierbaren Krebserkrankungen, erhöhen sich auch die Ausgaben für Medikamente, und zwar in den meisten Regionen der Welt wie Analysen von QuintilesIMS zeigen. Die Forschung setzt dabei stark auf die sog. personalisierte Medizin. 2015 war ein Rekordjahr für die Zulassung neuer onkologischer Präparate, vor allem eben dieser zielgerichteten Therapien. Deren Verfügbarkeit variiert zwischen Ländern und Regionen beträchtlich, und entsprechend der vorherrschenden Versorgungsstrukturen gibt es große Unterschiede zwischen den Ausgaben im ambulanten und stationären Bereich.

Deutschland ist dabei das Land mit dem größten Anteil bei Ausgaben für ambulante Behandlungen. Diese haben in den letzten fünf Jahren noch zugenommen, was bei der Einordnung der Marktentwicklung ebenfalls zu berücksichtigen ist. "Dies zeigt, wie wichtig eine sektorübergreifende Betrachtung sowohl bei der Beurteilung der Ausgabenentwicklung als auch der Versorgungssituation ist", so Wald-Eßer weiter.

Onkologie und Immunologie bilden bei Biologika den Schwerpunkt, auf sie entfallen in Deutschland über die Hälfte der jährlichen Ausgaben. Biosimilars, also Nachbauten der Originalpräparate, erreichen sowohl innerhalb der europäischen Länder wie auch in den einzelnen Regionen der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland sehr unterschiedliche Durchdringungsraten. Im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt auf Biologika insgesamt ein Anteil von 23%, davon auf Biosimilars nur 1%.

Die Gründe dafür liegen zum einen in unterschiedlichen gesundheitspolitischen Maßnahmen, zum anderen aber auch im unterschiedlichen Informationsverhalten gegenüber den Ärzten. Dass diesem ein nicht zu unterschätzendes Gewicht zukommt, geht auch aus einer im September durchgeführten Umfrage des deutschen Arztportals hervor, in der 70 % der befragten Mediziner angaben, sich über Biologika nicht ausreichend informiert zu fühlen. Das unterstreicht die Bedeutung des Wissenserwerbs, dem das bevorstehende Reformgesetz über die Einführung eines Arztinformationssystems zu Ergebnissen der Nutzenbewertungsverfahren Rechnung tragen soll.

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