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Forum MedTech Pharma bezieht Stellung zur MDR

Die neue MDR trat im Mai 2017 in Kraft und ist nach dreijähriger Übergangsfrist ab Mai 2020 verpflichtend anzuwenden. Das Forum MedTech Pharma e.V., größtes Netzwerk der Medizintechnik-Branche, vernetzt Akteure aus allen beteiligten Bereichen und Sektoren: Hersteller, Dienstleister, Benannte Stellen, Forscher, klinische Anwender, Kostenträger, und weitere Akteure. Vor dem Hintergrund dieser übergreifenden Struktur hat das Netzwerk die Möglichkeit, die regulatorische Neuregelung aus gemeinsamer Sicht zu bewerten.

28.02.2018

Übergeordnetes gemeinsames Ziel aller Akteure im Netzwerk ist die Gewährleistung einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung zum Wohle der Patienten. Als Teilaspekt daraus unterstützen alle Akteure Aktivitäten, die einer höchstmöglichen Patientensicherheit dienen. Um dieses hoch priorisierte Anliegen zu adressieren, sind sowohl staatlich vorgegebene als auch individuelle bzw. eigenverantwortliche Maßnahmen ausdrücklich erwünscht. Dass dabei eine kontinuierliche Anpassung von Regelungen an Veränderungen in der Branche sinnvoll ist, steht außer Frage. Sicherheit und Qualität muss Vorrang vor Schnelligkeit haben.

Die Umsetzung durch die neue MDR & IVDR stellt die Akteure allerdings vor Herausforderungen, die Innovationsdynamik, Produktvielfalt und Zukunftsfähigkeit der Hersteller und Dienstleister erheblich beeinträchtigen können. Teilweise ist dabei kein klarer positiver Einfluss auf die Patientensicherheit erkennbar, wenn es beispielsweise um die Neuzertifizierung bewährter Bestandsprodukte geht. Wenn vor diesem Hintergrund etablierte oder innovative Medizinprodukte die regulatorischen Hürden aus Ressourcengründen oder aufgrund schwer erfüllbarer Vorgaben nicht überwinden können und somit nicht für eine optimale Patientenversorgung zur Verfügung stehen, deckt sich das nicht mit dem gemeinsamen Ziel einer bestmöglichen Gesundheitsversorgung.  

Extrem kurze Übergangsfristen
Berechnet man ausgehend von den gesetzlich vorgegebenen Übergangsfristen die in der Praxis nutzbare Zeit zur Umstellung aller Systeme, dann ist eine realistische Umsetzung praktisch ausgeschlossen. Hintergrund ist die Tatsache, dass Benannte Stellen frühestens ab dem Zeitpunkt ihrer eigenen Akkreditierung im Sinne der MDR tätig werden können und in der verbleibenden Zeitspanne die Kapazitäten in allen Bereichen (Personalressourcen bei Benannte Stellen, Ressourcen bei Unternehmen, Ressourcen für die Durchführung klinischer Studien) unzureichend sind, um die notwendigen Zertifizierungen für wichtige Produkte bearbeiten zu können.

Ressourcenengpässe (finanziell, zeitlich, personell)
Durch den sprunghaften Anstieg des Umfangs der klinischen Bewertung, der technischen Dokumentation, der Marktbeobachtung etc. werden die Ressourcen stark belastet. Ungelöst sind in diesem Zusammenhang die Fragen, wie Unternehmen den finanziellen Mehraufwand aufbringen können, wie dennoch eine akzeptable „Time to Market“ erreicht werden kann, und wie die große Anzahl zusätzlicher Mitarbeiter mit Expertise im Bereich Regulation rekrutiert bzw. qualifiziert werden kann. Ein gravierender Engpass wird sich bei den Benannten Stellen ergeben. Rein rechnerisch betrachtet wird deren Kapazität bei weitem nicht ausreichen, um die Neuzertifizierung sämtlicher im Markt befindlicher Medizinprodukte zu bearbeiten. Dadurch werden zahlreiche Produkte, insbesondere Produkte kleinerer Hersteller und selten eingesetzte Produkte nicht mehr für den Einsatz am Patienten zur Verfügung stehen.

Rolle der KMU
Die genannten Ressourcenengpässe sind in besonderer Weise für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sehr belastend, da sie nicht über eine ausreichend große finanzielle und personelle Flexibilität verfügen, um so kurzfristig in große Vorleistung zu gehen. Noch stärker davon betroffen sind Start-Ups, für die das steigende Investitionsvolumen kaum zu realisieren ist. Mögliche Folgen sind ein erheblicher Rückgang der Innovationsdynamik von KMU und Start-Ups, da innovative Lösungen mit Blick auf den Zertifizierungsaufwand nicht weiterverfolgt werden, oder das Risiko einer wirtschaftlichen Schieflage von Herstellern bis hin zur Insolvenz. Die Medizinprodukteherstellerlandschaft könnte sich nach Meinung vieler Marktteilnehmer zu einer nahezu komplett von Großunternehmen dominierten Struktur entwickeln. Die genannten Effekte gelten in ähnlicher Form auch für Zulieferer der Medizinprodukte-Hersteller.

Bestandsprodukte
Der Aufwand für die Neuzertifizierung von Bestandsprodukten nach den Vorgaben der MDR sind fallweise so hoch, dass Inverkehrbringer sich dazu gezwungen sehen, etablierte und für die Versorgung wichtige Produkte vom Markt zu nehmen. Sofern für die betreffenden Produkte noch keine dokumentierten klinischen Daten vorliegen, können bei bestimmten Produktkategorien klinische Studien auch für Bestandsprodukte notwendig werden. Herausfordernd ist in jedem Fall, dass die Überarbeitung der Produktakten von Bestandsprodukten bei einem großen Produkt-Portfolio einen so großen Zeitaufwand bedeutet, dass vielfach allein dadurch eine kontinuierliche Verfügbarkeit für den Einsatz am Patienten in Frage gestellt ist.

Klinische Bewertung
Die tiefgreifend veränderten Anforderungen an die klinische Bewertung fordert die Branche besonders heraus. Die geforderten Qualifikationen bzw. Kompetenzen sind sowohl auf Hersteller- wie auf Klinikseite schwer zu finden. Benannte Stellen setzen die neuen Forderungen sehr unterschiedlich um, auch gibt es keine Frist zur Bearbeitung der Unterlagen. Die vorgegebene Nutzung von klinischen Daten der Mitbewerber ist nicht praktikabel. Die stark vergrößerte Anzahl von Produkten mit Notwendigkeit klinischer Studien führt zu Engpässen gerade auch in den Kliniken, wo die nötige Infrastruktur für medizintechnische Studien fehlt. Ebenso ist die Zahl verfügbarer Patienten mit geeigneten Einschlusskriterien limitiert.

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