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Pooptech aus Berlin ist eine weltweite Erfolgsgeschichte:

Die digitale Bauch-Klinik Cara Care hat sich den Tabuthemen Verdauung, Stuhlgang und Reizdarm verschrieben – und trifft damit auf einen riesigen Bedarf. Über 4,5 Millionen Webseiten-Besucher und App-Nutzer in Deutschland zeigen, dass gängige Behandlungsmethoden fehlschlagen und Betroffene mit unklaren Diagnosen allein lassen. Der ganzheitliche Ansatz, gegründet von zwei Medizinern und zwei Programmierern, gewann bereits in den ersten zwei Jahren zahlreiche Preise, überzeugte Investoren, wurde zum Marktführer in den USA, Kanada, UK und Deutschland. Auch die Krankenkassen sind überzeugt und übernehmen die individuelle Therapie, die Ernährungsberatung und Verhaltenstherapie mit Künstlicher Intelligenz zusammenführt.

11.09.2018

Chronische Bauchschmerzen, Reizdarm, Blähbauch, Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Beschwerden rund um die Verdauungsorgane zählen zu den häufigsten Krankheiten der industrialisierten Welt. Neun Millionen Menschen allein in Deutschland leiden unter Reflux-Krankheit, vom Reizdarmsyndrom sind zwölf Millionen Bundesbürger betroffen. 20 Prozent der Bevölkerung haben regelmäßige Beschwerden, ohne die genaue Ursache zu kennen. Das hat auch Folgen für die Volkswirtschaft:  Laut Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff-wech-sel-krankheiten (DGVS) belaufen sich die direkten Kosten auf 34,8 Milliarden Euro – allein in der Bundesrepublik. Dazu kommen die indirekten Kosten, also jene, die durch den Ausfall der Betroffenen und verminderte Leistungsfähigkeit im Job und Frühverrentung entstehen. Statistiken zufolge sind Darmkrankheiten verantwortlich für zehn Millionen Tage Arbeitsunfähigkeit im Jahr. Und die Tendenz ist steigend. Die WHO sagt einen Anstieg um ein Drittel im kommenden Jahrzehnt voraus.

Trotzdem erhalten Millionen von Menschen mit Verdauungsproblemen keine adäquate Hilfe. „Die Funktionen und vor allem die Funktionsstörungen des Darms sind für die meisten Menschen immer noch unangenehm oder peinlich - und damit ein Tabuthema“, erklärt Jesaja Brinkmann, 27, der in Würzburg und Hamburg Medizin studierte und für seine Doktorarbeit an der Harvard Medical School forschte. Gleichzeitig sind Erkrankungen des Darms komplex: Ernährung, Darmflora, Psyche, Infektionen und genetische Disposition bilden ein Symptom-Labyrinth, das nach einer langen Leidenszeit selten bei nur einem Arztbesuch geklärt werden kann. Am Ende steht deshalb allzu oft die pauschale Ausschlussdiagnose: Reizdarm. „Die Schulmedizin lässt Patienten ratlos und hilflos zurück. Dadurch gelangen Betroffene häufig in die Fänge unseriöser Alternativmediziner“, erkennt Brinkmann, der im Frühjahr 2015 im Rahmen eines Forschungsprojekts Co-Founder André Sommer, kennenlernte. Beide teilen den Frust über den Status quo und wollen eine neue Ära der Therapie einleiten. „Wir sahen eine Chance, mit Hilfe der Digitalisierung neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die ineffiziente Diagnostik, das Arzt-Hopping der Betroffenen und die Verschreibung unwirksamer Medikamente sind kostspielig und lassen zahlreiche Betroffene unnötig leiden – und das, obwohl meist keine organischen Mängel vorliegen“, fasst Sommer, 30, zusammen. “Verdauungsprobleme sind ein großes Tabuthema. Dies erschwert den Zugang zu angemessener Hilfe. Digitale Lösungen können gerade hier helfen, Hürden zu überwinden und die Gesundheitsversorgung zu verbessern.”, ergänzt Johannes Wimmer, der als Fernseharzt aus dem NDR bekannt ist. Wimmer begleitet die Gründer schon von Beginn an in beratender Rolle.

Zunächst starteten die beiden Darmspezialisten mit einem Blog. Reizdarm.one soll aufklären, Mythen durch wissenschaftliche Fakten ersetzen und Betroffene zu mündigen Patienten machen. „Wir waren erschrocken von den schlechten Informationen über Ernährung, Intoleranzen und Verdauung im Netz und haben gesehen, wie wenig professionelle Hilfe Erkrankte erwarten dürfen. Wir möchten dafür sorgen, dass Patienten die richtigen Fragen stellen und zu Experten ihres eigenen Bauches werden anstatt sich ihrer Diagnose passiv zu fügen“, erinnert sich Brinkmann. Doch das Wissensportal mit Selbsthilfe-Elementen entwickelt eine rasante Eigendynamik. Die jungen Mediziner können sich vor Anfragen und Leidensgeschichten kaum retten. Nach wenigen Wochen haben Tausende kommentiert, Hilferufe hinterlassen und von ihrer Verzweiflung über den Teufelskreis aus Schmerzen, Scham, Isolation und Hoffnungslosigkeit berichtet. „Das Projekt hat gezeigt, wie groß der Bedarf ist – selbst wir als Bauchmediziner waren überrascht von den Ausmaßen und dem Leidensdruck“, so Sommer.

Gemeinsam gründeten die jungen Männer die HiDoc Technologies GmbH, deren ortsunabhängige Beratungsplattform inklusive App sie Cara taufen. Aus dem Stand ergattern die Gründer einen der begehrten Plätze im Microsoft Accelerator und dazu das erste Exist-Stipendium des Universitätsklinikums Eppendorf. Um der Vision einer international führenden Anlaufstelle für Bauchmedizin gerecht werden zu können, wird das Team um die beiden Daten-Wissenschaftler und Programmierer Orest Tarasiuk, 26, aus Warschau und Dr. Dankrad Feist, 33, aus London aufgestockt. Im Frühsommer 2016 geht bereits der erste Prototyp live. Kurz darauf ist der bekannte Investor Christoph F. Maire an Bord: „Cara Care ist der Vorreiter im Bereich digitaler Therapeutika.“ Business Angel wie Marc Griefahn, Wolfgang Biedermann und Alexande Ey runden im Sommer 2017 die Investition auf 2 Millionen US-Dollar auf. Im gleichen Jahr gewinnt Care Care den Hamburg Innovation Award und den Brandenburger Innovationspreis. „Wir wurden von Beginn an von einer Welle an Unterstützung getragen – dafür sind wir sehr dankbar. Es zeigt einmal mehr, dass das Thema Darmerkrankungen ein Massenphänomen ist, das dringend in der Mitte der Gesellschaft ankommen muss“, sagt Sommer.

Ein Onlineportal, eine kostenlose Tracking-App, tausende Beratungsstunden und drei Jahre später
hat Cara Millionen Menschen in Australien, den USA, Kanada, UK und Deutschland ihre
Lebensqualität zurückgegeben – mit einer hervorragenden Durchschnittsnote von 4.8 von 5
Sternen im App-Store ist Cara die am besten bewertete Anwendung für Verdauungsgesundheit.
Unter den Fans ist auch Bestsellerautorin Giulia Enders, die mit ihrem Buch „Darm mit Charme“ erstmals das Thema Darmgesundheit für ein breites Publikum zugänglich machte. „Unser Bauch ist genauso wichtig wie unser Gehirn oder unser Herz – und dennoch wissen wir so wenig darüber, wie der Darm eigentlich funktioniert. Das Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs kann helfen, die Signale des Körpers zu verstehen und im Einklang mit ihm zu leben“, so Enders über die App Cara.

Professor Dr. Stefan Lüth, Chefarzt und ärztlicher Leiter der Klinik für Gastroenterologie und Diabetologie am Städtischen Klinikum Brandenburg, war Mentor von Gründer Jesaja Brinkmann während seiner Zeit am UKE in Hamburg und unterstützte die digitale Pionierarbeit von Beginn an. „Gastroenterologische Erkrankungen können äußerst komplex sein. Cara Care könnte eine wichtige Versorgungslücke in gastroenterologisch unterversorgten Regionen schließen und gleichzeitig wichtige Daten für uns Wissenschaftler liefern”, so Prof. Dr. Lüth, der als wissenschaftlicher Beirat von Cara Care fungiert und die Inhalte von Cara aus akademischer Sicht begleitet.

Zu Beginn des Jahres 2017 hat die App bereits mehr als 200.000 organisch gewachsene Nutzer in den USA – auch dank zahlreicher, positiver Bewertungen im US App-Store. „In den USA werden wir sehr oft von Medizinern empfohlen“, sagt Sommer. Er freut sich, dass auch in der Heimat Deutschland immer mehr Gastroenterologen und Hausärzte Cara Care auf dem Schirm haben und verschreiben – etwa 15 Prozent der Nutzer kommen mittlerweile über niedergelassene Ärzte und Kliniken.

Als nächstes möchte HiDoc Technologies Cara in den USA weiter ausbauen. Mittlerweile 20 Mitarbeiter führen fort, was Reizdarm.one begonnen hat: Die patientenzentrierte Beratung und systematische Betreuung bei der Ernährungsumstellung, die jeden einzelnen Betroffenen zum Experten seines Darms machen und in die Lage versetzen soll, gut mit seinen Beschwerden zu leben. „Millionen von Menschen leben mit der Diagnose Reizdarm und der pauschalen Ansage: Da kann man nichts machen. Dabei ist das totaler Unsinn“, so Brinkmann. Cara geht evidenzbasiert, anonym und unabhängig vor, als sogenannte ärztlich delegierte Leistung. 80 Prozent der Kunden sind Frauen, denn sie machen rund zwei Drittel der vom Reizdarmsyndrom Betroffenen aus. Die Altersspanne reicht von Teenagern bis hin zu Senioren. Das Programm beinhaltet das Führen eines mobilen Tagebuchs, Telemedizin, Ernährungspsychologie sowie Prävention und Rückfallprophylaxe. Dabei hat jeder Betroffene einen persönlichen Berater an seiner Seite, der per Video-Chat für durchschnittlich sieben Sitzungen zur Verfügung steht. Die telemedizinische Therapie hat eine hohe Erfolgsquote. 86,8 Prozent der Nutzer können von der Therapie profitieren und ihre Symptome im Durschnitt um 39,7% (IBS Symptom Severity Score) reduzieren. Gelinderte Schmerzen, verringerte Medikamenteneinnahmen und Ausfallzeiten sowie eine Verbesserung von Lebensqualität, Gesundheits- und Ernährungszustands mit einbegriffen.

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